Neue Gaskraftwerke trotz EU-Stromabkommen und «Stromreserve»: Bundesrat torpediert das Parlament


Der Bundesrat hat heute zwei zentrale Beschlüsse zur künftigen Energiepolitik bekanntgegeben. Er hat angekündigt, dass er fünf neue Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von 583 MW im dreistelligen Millionenbereich bauen will – dies obwohl das Parlament seit einem Jahr über die « Stromreserve» berät und eine deutlich günstigere Lösung konzipiert hat, die bereits im Juni während der Sommersession verabschiedet wird. Damit torpediert der Bundesrat schamlos die laufenden Arbeiten im Parlament und ignoriert, dass mit dem zweiten heutigen Beschluss zum EU-Stromabkommen die Notwendigkeit der Reserveleistung deutlich reduziert wird. Diese Entscheide sind nicht nachvollziehbar und benötigen eine Korrektur.

Medienmitteilung
von Stefan Dörig
14.05.2025

In der bisherigen Debatte um die Stromreserve hat das Parlament deutlich gemacht, dass es den Bau von neuen Gaskraftwerken als Ultima Ratio betrachtet – neue Gaskraftwerke kommen also erst in Frage, nachdem alle anderen Optionen ausgeschöpft sind. Diese anderen Optionen, insbesondere gepoolte Notstromaggregate und eine griffige Verbrauchsreserve, wurden durch das Parlament erheblich gestärkt. Beide Alternativen haben den Vorteil, dass bestehende Infrastruktur genutzt wird und damit die Kosten massiv tiefer ausfallen – Kosten, welche den Stromverbrauchern angelastet werden. In der Summe liefern Notstromgruppen, Verbrauchsreserve und die Wasserkraftreserve mehr als genügend Kapazität, um den Empfehlungen der Elcom gerecht zu werden und die Versorgungssicherheit auch im Notfall sicherzustellen. Neue Gaskraftwerke sind überflüssig.

Bundesrat foutiert sich um Parlamentsberatung zur Stromreserve

Dass sich der Bundesrat zu diesem Zeitpunkt – kurz vor der geplanten Schlussabstimmung zur Stromreserve in der Sommersession und nur einen Tag nach der abschliessenden Sitzung der nationalrätlichen Energiekommission – für den Bau von unnötigen und teuren Gaskraftwerken entscheidet, ist respektlos gegenüber den parlamentarischen Beratungen. Das sture Festhalten an einer altbekannten Technologie zeigt ausserdem, dass die Landesregierung wenig Vertrauen in innovative Ansätze in der Energiepolitik hat. Genau diese Ansätze werden allerdings dringend benötigt, um die Energiestrategie effizient und kostengünstig umzusetzen. Das Parlament hat die Zeichen der Zeit erkannt. Dass der Bundesrat dies komplett ignoriert, ist inakzeptabel. swisscleantech wird sich entsprechend dagegen einsetzen.

Mit dem EU-Stromabkommen verlieren neue Gaskraftwerke weiter an Notwendigkeit

Nur wenige Stunden nach dem Entscheid des Bundesrates zum Bau von neuen Gaskraftwerken wurden die Eckpunkte zur Umsetzung des Stromabkommens zwischen der Schweiz und der EU bekannt gegeben. Dank der geplanten Einbindung in den europäischen Strommarkt würde die Stromversorgung sicherer und günstiger. Neue Gaskraftwerke werden mit einem Abkommen nicht nur überflüssig, sondern auch inkompatibel mit EU-Recht und müssten nach einer Übergangsphase von sechs Jahren voraussichtlich wieder abgebaut werden. swisscleantech unterstützt die Bestrebungen zum Abschluss eines Stromabkommens und setzt sich auch seit Jahren für eine freie Wahl des Stromanbieters durch die Konsument*innen ein.