Wie gut geht es der Wasserkraft?


In der NZZ am Sonntag (Ausgabe vom 14.4.2019) ist einem Artikel von Jürg Meier («Die Wasserkraft  lohnt sich», S.33) zu entnehmen, dass es der Wasserkraft wieder gut geht. Das ist schön zu lesen, doch gibt es «die Wasserkraft» so eigentlich nicht und die Schlagzeile ist irreführend.

Artikel
von Dr. Christian Zeyer
15.04.2019

Noch viel mehr als bei anderen Technologien sind die Kosten bei der Erstellung eines Wasserkraftwerkes sehr unterschiedlich. Deshalb ist es auch nicht weiter erstaunlich, dass einige Wasserkraftwerke gut rentieren und andere weniger. Drei Aspekte sind zu berücksichtigen: Art des Wasserkraftwerks, Alter des Wasserkraftwerks und Abschreibungsbedarf. Ganz offensichtlich unterscheiden sich Speicherkraftwerke, Laufkraftwerke und Pumpspeicherkraftwerke. Letztere, zu denen auch das im Artikel erwähnte Kraftwerk Linth-Limmern gehört, sind im Moment defizitär und werden das wohl auch noch auf Jahre hinaus bleiben. Speicherkraftwerke sind dank ihrer Flexibilität interessant, Flusskraftwerke aufgrund der eher geringeren Baukosten. Entscheidend für die Rentabilität sind vor allem auch das Alter der Kraftwerke und die angewendeten Abschreibungszyklen. Aus älteren Studien weiss man, dass die Rentabilität von alten Anlagen, bei denen die Abschreibungen aus der Erstellung weitgehend getätigt sind, rentabel sind, während neue Anlagen und solche, die umfassend renoviert worden sind, eher teurerer Kosten aufweisen und dann oft nicht oder nur knapp rentabel betreiben werden können.  

Diese Überlegungen geben nun den Blick frei auf die wichtigen Schlüsse, die leider im Artikel nicht gezogen werden: Viele der heute rentablen Anlagen werden in den nächsten Jahren in einen neuen Erneuerungszyklus eintreten. Als Folge davon wird ihre Rentabilität geschwächt. Die Massnahmen in den Erneuerungszyklen sind jedoch nötig, um auch langfristig die Produktion zu erhalten und sie allenfalls auszuweiten. Damit sind wir beim zweiten Problem: Weil die Kosten der Erstellung einer neuen Wasserkraftanlage sehr stark von den örtlichen Gegebenheiten wie Wasserfluss und Gefälle abhängen, muss leider festgehalten werden: Die günstigen Potentiale in der Wasserkraft sind längst gebaut. Neue Anlagen werden in den meisten Fällen zu Preisen produzieren, die bei den heute üblichen Strompreisen nur knapp rentabel oder sogar unrentabel sein werden. In diesem Fall wird der Ausbau wohl nicht erfolgen.

Im Hinblick auf den Ausstieg aus der Kernkraft sind das nicht besonders gute Nachrichten. Deshalb ist der Titel des Artikels («Die Wasserkraft lohnt sich») nicht unproblematisch. Auch wenn die Wasserkraft insgesamt heute finanziell wieder besser dasteht, muss weiterhin dafür gesorgt werden, dass die Anreize für Erneuerung, Optimierung und Ausbau erhalten bleiben. Aufgrund der hohen Kosten ist es nicht sinnvoll, jeden verbleibenden Bach zu turbinieren. Gleichwohl gibt es Potentiale in der Wasserkraft, die trotz fehlender Rentabilität im Sinne der Versorgungssicherheit heute realisiert werden sollten.

Quelle:

NZZ am Sonntag: Die Wasserkraft lohnt sich (nur für Abonnenten zugänglich)