Die Schweizer Energieversorgung hängt nicht primär von neuen Wasserkraftwerken ab


Eine neue BFE-Studie weist ein geringeres Ausbaupotenzial der Wasserkraft aus. Das ändert nichts am Kurs, den die Schweiz einschlagen muss, um klimatauglich zu werden. Photovoltaik und Wind sind auszubauen. Prioritär ist der Produktion von Winterstrom.

Artikel
von swisscleantech
04.09.2019

Die Meldung, dass das Bundesamt für Energie das Ausbaupotenzial der Wasserkraft tiefer einschätzt, mag auf den ersten Blick wie eine Steilvorlage für die Gegner der Energiewende aussehen, wie dies ein Bericht des Tages-Anzeiger (Ausgabe vom 3.9.2019) suggeriert. Auf den zweiten Blick trägt die Studie jedoch zur Entspannung der Diskussion bei. Denn sie lenkt den Blick aufs Wesentlich.

swisscleantech hat stets ein Fragezeichen hinter die Ausbaupläne des Bundes in der Wasserkraft gesetzt. Zwar ist unbestritten, dass die Wasserkraft ein zentraler Pfeiler der Schweizer Energieversorgung ist. Was den weiteren Ausbau angeht, sie die Potenziale allerdings beschränkt.

Solarstrom anstelle neuer Wasserkraftwerke

Drei Gründe schmälern die Bedeutung der Wasserkraft beim künftigen Ausbau: die Umweltauswirkungen, die Tatsache, dass neue Wasserkraftwerke nicht automatisch das Stromsystem entlasten, und die Kosten. Erstens werden die grossen Fliessgewässer im Schweizer Mittelland bereits weitgehend genutzt;  bei einem weiteren forcierten Ausbau – insbesondere auch bei Kleinwasserkraftwerken – würden die negativen Auswirkungen auf die Biodiversität noch mehr ins Gewicht fallen. Zweitens liefern Wasserkraftwerke im Sommer am meisten Strom. Dies gilt für Anlagen im Mittelland, aber noch verstärkt für Produktionsanlagen im Gebirge. In den Bergen lässt sich im Winter nur mittels Speicherseen Strom produzieren. Immer deutlicher wird jedoch, dass die Herausforderung in der Stromproduktion im Winter und nicht im Sommer liegen wird.

Relevant sind drittens die Kosten: Die Gestehungskosten für Solarstrom sinken kontinuierlich. Heute kostet Solarstrom nur noch halb so viel wie Strom aus den meisten neu erstellten Kraftwerken – und die Kosten sinken weiter. Bei Kleinwasserkraftwerken ist die Differenz noch grösser.

Wenn Politiker wie Nationalrat Christian Wasserfallen darauf hinweisen, die Energiestrategie drohe zu einer Importstrategie zu werden, hat er nicht ganz Unrecht. Allerdings ist gerade er dafür mitverantwortlich, dass zurzeit in der Schweiz Investitionsbeihilfen fehlen, um die erneuerbaren Energieanlagen schnell genug auszubauen.

Die Produktion von Winterstrom im Fokus

Eine einseitige Aufweichung der Schutzbedürfnisse, wie sie die NZZ (Ausgabe vom 3.9.2019, S.13) als Reaktion auf die BFE-Studie vorschlägt, ist jedoch der falsche Weg. Wie in der Energiestrategie angedacht und im Energiegesetz festgelegt, müssen die Interessen zwischen Stromproduktion und Biodiversität abgewogen werden. Dies gilt auch bezüglich der Produktion im Sommer, da dieser Strom auch durch Solarenergie zur Verfügung gestellt werden kann. Lebendige Bäche und Flüsse sind für die Biodiversität ausgesprochen wichtig, diese gilt es zu erhalten.

Deshalb muss vermehrt – und wie von swisscleantech mehrfach vorgeschlagen – darauf geachtet werden, ob eine Anlage Winterstrom zur Verfügung stellt oder nicht. Konkret heisst das: Alle gesetzlichen Möglichkeiten, um den Bau von Windenergieanlagen und zusätzlichen Speicherseen zu beschleunigen, müssen jetzt genutzt werden. Denn diese sind in der Lage, im Winter Strom zu produzieren. Hier liefert die BFE-Studie denn auch eine gute Nachricht, denn sie sie zeigt eine Produktionskapazität von einer Terrawattstunde im Winter auf, dank Projekten wie dem Triftsee. Potentiale, die durch den leider unaufhaltsamen Rückgang der Gletscher frei werden. Die Produktion solcher Anlagen kann sehr flexibel abgerufen werden, wenn die Nachfrage die Produktion übersteigt.

Fazit: Die neue BFE-Studie ändert nichts daran, wie der Weg in eine sicherere und klimataugliche Schweizer Stromversorgung aussieht: Es braucht den Ausbau von Solar- und Windenergie, und neue Speicherkraftwerke müssen realisiert werden.