Was bringt das neue CO2-Gesetz?


Noch nicht verabschiedet und bereits so kontrovers diskutiert, als befänden wir uns im Abstimmungskampf: Das CO2-Gesetz bewegt die Gemüter. Von «hohen Kosten für die Büezer» und «ausufernden Subventionen» ist die Rede. Was bringt das Gesetz wirklich? Eine Einordnung.

Artikel
von swisscleantech
27.02.2020

Das CO2-Gesetz definiert den Weg der Schweizer Klimapolitik. Es ist das wichtigste Instrument der Schweiz bei der Umsetzung eines wirksamen Klimaschutzes. Gegenwärtig wird dieses Gesetz totalrevidiert, da die bestehende Gesetzesgrundlage Ende 2020 ausläuft. Das neue CO2-Gesetz entwickelt die bereits bestehenden Instrumente weiter und füllt einige Lücken des heutigen Gesetzes.

Die wichtigsten Massnahmen, inklusive Kurzbeurteilung

Flottenziele für Neufahrzeuge: Autoimporteure werden angehalten, schrittweise immer effizientere Fahrzeuge zu verkaufen. 2030 sollen die Fahrzeuge im Durchschnitt noch maximal die Hälfte des Benzin- und Dieselverbrauchs pro 100 km aufweisen im Vergleich zu 2019. Ähnliche Regelungen gelten auch für Lieferwagen und LKW.

  • EinschätzungNeben den tieferen Emissionen werden durch die Verbesserung der Automobiltechnik die Betriebskosten halbiert. Es wird erwartet, dass Elektrofahrzeuge schon bald nicht nur im Betrieb und Unterhalt, sondern auch im Kauf günstiger sind als Verbrennungsmotoren. Diese Kosteneinsparungen übersteigen den vorgesehenen, bescheidenen Aufpreis beim Treibstoff (siehe unten) deutlich.

CO2-Kompensation für Treibstoffimporteure: Die CO2-Emissionen aus dem verbleibenden Verbrauch an Diesel und Benzin sollen von den Treibstoffimporteuren um bis zu 90% mit Klimaschutzprojekten im In- und Ausland kompensiert werden. Heute dürfen Treibstoffimporteure die daraus entstehenden Kosten mit Aufschlägen auf Benzin und Diesel von bis zu 5 Rp/l decken. Künftig steigt diese Obergrenze auf 10-12 Rp/l.

  • EinschätzungDiese Mittel finanzieren Klimaschutzprojekte, die wiederum der Wirtschaft und Landwirtschaft zu Gute kommen. Für FahrzeugnutzerInnen ist die Halbierung der Treibstoffkosten durch effizientere (Elektro-)Fahrzeuge relevanter als die geplante Treibstoffpreiserhöhung.

Flugticketabgabe: In der Luftfahrt gilt heute eine Steuerbefreiung von Kerosin. Dies soll sich neu ändern und teilweise mit einer Flugticketabgabe für den öffentlichen Luftverkehr (30 bis 120 CHF/Flugticket ab Schweizer Flughafen) und einer Flugzeugabgabe für grosse Privatflugzeuge ausgeglichen werden. Die Abgaben fliessen bis zur Hälfte in den neuen Klimafonds (siehe unten). Der Rest wird an Bevölkerung und Wirtschaft rückverteilt.

  • EinschätzungDie Flugticketabgabe dient als Lenkungsabgabe. In der vorgeschlagenen Form bringt sie den Flugverkehr noch nicht auf einen Paris-kompatiblen Weg, sendet aber ein wichtiges Signal: Klimafreundliche Verkehrsalternativen sollen konkurrenzfähiger werden. Mindestens die Hälfte dieser Abgaben wird pro Kopf wieder rückverteilt, womit jene Passagiere profitieren, die weniger oft fliegen.

CO2-Lenkungsabgabe auf Brennstoffe: Die Obergrenze der heutigen CO2-Abgabe auf Heizöl, Gas und Kohle soll von 120 CHF/t CO2 auf maximal 210 CHF/t angehoben werden. Die Abgabe steigt nur, wenn die Schweiz ihre Zwischenziele bzgl. CO2-Reduktion verfehlt. Neu können sich alle, inkl. kleiner Firmen, von der Abgabe befreien lassen, wenn sie aufzeigen, dass sie bereits wirtschaftliche Klimaschutzmassnahmen umgesetzt haben. Mindestens zwei Drittel der Einnahmen der CO2-Abgabe werden, wie bis anhin, als Rabatt auf die Krankenkassenprämien und die AHV-Arbeitgeberbeiträge an Bevölkerung und Wirtschaft rückverteilt.

  • Einschätzung: Eine erhöhte Lenkungsabgabe bewirkt, dass die Klimafolgekosten zunehmend verursachergerecht bezahlt werden: Jene Haushalte, die eine besonders grosse, mit Öl oder Gas beheizte Wohnfläche beanspruchen, bezahlen netto mehr. Klimafreundlichere Alternativen werden attraktiver: Dank der erhöhten Abgabe lohnen sich Investitionen in den Klimaschutz für Hausbesitzer und Firmen vermehrt. Ein Heizungswechsel zu Fernwärme, Wärmepumpe, Holz oder Solar befreit zwar von der CO2-Abgabe, bedingt meist aber erhöhte Umstellungskosten auf das neue Heizsystem. Ein Drittel der Einnahmen aus der CO2-Abgabe soll deshalb weiterhin in das Gebäudesanierungsprogramm fliessen und jene HausbesitzerInnen unterstützen, die energetische Verbesserungen in ihren Gebäuden vornehmen.

Emissionsstandard für Gebäude: Ab 2023 (und in Kantonen mit Übergangsfrist ab 2026) soll ein Emissionsgrenzwert gelten, der die CO2-Emissionen auf 20 kg CO2 pro m2 beheizte Wohnfläche begrenzt. Dieser kommt bei einem Heizungsersatz zur Anwendung. Der Einbau einer Öl- oder Erdgasheizungen ist dann nur noch in sehr effizienten Gebäuden möglich. Förder- und Leasingprogramme sollen HausbesitzerInnen für die oft höheren Anschaffungs- resp. Systemwechselkosten entlasten.

  • EinschätzungZunehmend mehr Haushalte profitieren dadurch von klimaverträglichen Heizungen. Diese sind im Betrieb meist günstiger und entlasten damit die Mieter. Ein frühzeitiger Umstieg auf klimafreundliche Heizungsmodelle schützt vor steigenden CO2-Preisen.

Klimafonds: Es soll ein «Klimafonds» aufgelegt werden, der hauptsächlich aus der Teilzweckbindung der CO2-Abgabe auf Brennstoffe sowie aus der Hälfte der Einnahmen aus der Flugticketabgabe gespiesen wird. 

Einnahmen aus der CO2-Abgabe auf Brennstoffe: Wie bis anhin sollen maximal 33%, resp. 450 Mio. CHF pro Jahr der CO2-Abgabe das Gebäudesanierungsprogramm der Kantone unterstützen. Neu sollen diese Gelder auch weitere Programme, vor allem im Bereich Wärmeversorgung, ermöglichen.

Einnahmen aus der Flugticketabgabe: Die Hälfte der Einnahmen soll die Entwicklung und breite Anwendung neuer Ansätze und Technologien fördern. Die vom Schweizer Konsum im Ausland verursachten Treibhausgasemissionen übersteigen heute die Emissionen in der Schweiz. Dieser Teil des Klimafonds soll deshalb einen Reduktionsbeitrag in derselben Grössenordnung leisten. Konkret sollen CO2-Reduktion in der Wertschöpfungskette von Schweizer Unternehmen oder beim Einsatz von Schweizer Technologie im Ausland finanziell unterstützt werden. Entwickeln Unternehmen neue Klimaschutzlösungen, stehen diesen künftig neben der heutigen Bürgschaft für kleinere Technologie-Projekte auch weitere Unterstützungsinstrumente zur Verfügung. Dadurch können grössere Risiken abgesichert oder der schwierige Übergang vom Prototyp zur Industrialisierung gemeistert werden. Die Mittel sollen auch dazu beitragen, den Klimaeffekt der Luftfahrt deutlich zu senken.

Anpassungsmassnahmen: Der Klimafonds soll auch Anpassungsmassnahmen finanzieren, um nicht mehr abwendbare Folgen des Klimawandels zu reduzieren. Die Land- und Forstwirtschaft, das fragile Alpengebiet und zunehmend unsere Infrastrukturen sind besonders betroffen und benötigen zum Teil teure Schutzmassnahmen. Diese werden aus Auktionserträgen des Emissionshandels-systems, Ersatzleistungen der Fahrzeugimporteure und Bussen aus dem Vollzug finanziert und nicht wie heute ausschliesslich aus allgemeinen Steuereinnahmen.

Finanzplatz: Die Finanzmarktaufsicht und die Schweizerische Nationalbank sollen Klimarisiken explizit ausweisen.

  • EinschätzungEs wird eine erste Grundlage geschaffen, um den grossen weltweiten Klima-Fussabdruck des schweizerischen Finanzplatzes zu reduzieren, was wichtig und im Sinne der Pariser Klimaziele ist.

Fazit 

Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass das CO2-Gesetz grossmehrheitlich positive Auswirkungen hat. Von «hohen Kosten» und «ausufernden Subventionen» kann kaum die Rede sein. Von einem modernen und wirksamen CO2-Gesetz profitiert die gesamte Volkswirtschaft: Es entstehen neue Absatzmärkte und zusätzliche Investitionen helfen, die Energie- und Klimaeffizienz in verschiedenen Sektoren zu steigern. Die Mittel für den Klimafonds werden primär verursachergerecht erhoben und zielgerichtet eingesetzt. Die im Gesetzt vorgesehenen Lenkungsabgaben werden zum grössten Teil rückverteilt und sind erwiesenermassen sozialverträglich (siehe Infras-Studie). Um die wissenschaftlich breitabgestützten Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, reicht das neue Gesetz jedoch nicht aus. Dafür bräuchte es ambitioniertere Klimaziele und entsprechend wirksame Politikinstrumente. Das Gesetz erlaubt es aber, Erfahrungen mit neuen Instrumenten zu sammeln, um die vollständige Transformation weg von den fossilen Energien zu begleiten.