97 zu 95 Stimmen, oder: das Einmaleins der Schweizer Klimapolitik


Das CO2-Gesetz hat im Nationalrat Schiffbruch erlitten. Nachdem die grosse Kammer die Vorlage stark abgeschwächt hatte, lehnte sie diese in der Schlussabstimmung deutlich ab. Was ist geschehen? Eine Einordnung mit Ausblick.

Artikel
von Martina Novak
11.12.2018

Am 3. Dezember startete der Nationalrat die Beratungen zur künftigen Klimapolitik der Schweiz. Nicht nur das Inlandziel, das eine verbindliche CO2-Reduktion in der Schweiz vorschreibt, wird mit 97 zu 95 Stimmen aus der Vorlage gekippt. Auch bei den Massnahmen für das Verkehrswesen und den Gebäudepark drückt der Nationalrat auf die Bremse. Schnell zeichnet sich ab: Wie bereits in der Kommission fallen die Abstimmungen äusserst knapp aus und bedürfen an der einen oder anderen Stelle sogar des Stichentscheids der Präsidentin. Die meisten Abstimmungen folgen dem Muster auf dem Foto oben: Durch die Mitte verläuft ein Graben. Aus der Sicht von swisscleantech von besonderer Bedeutung:

  • Der Nationalrat kippt das Inlandziel mit 2 Stimmen Unterschied aus der Vorlage. Knapp entscheidet er sich zudem, lediglich international oder multilateral festgelegte Anforderungen an ausländische Emissionszertifikate zu stellen. Er aberkennt dem Bundesrat die Kompetenz, solche Anforderungen festzulegen.
  • Mit fast schon deutlichen 107 zu 84 Stimmen entscheidet sich der Nationalrat, ab 2026 einen – wenn auch nicht sonderlich starken, aber immerhin verbindlichen – Emissionsstandard für Gebäude einzuführen.
  • Statt die Emissionsgrenzwerte für Neuwagen im Gleichschritt mit der EU zu senken, verankert der Nationalrat mit 99 zu 92 Stimmen Erleichterungen zur Zielerreichung und schwächt den Klimaschutz im Verkehrswesen ab.
  • Wie vom Bundesrat vorgeschlagen, soll die CO2-Abgabe erhöht werden, und die Weiterführung des Gebäudeprogramms kommt mit einer Stimme durch.

Insgesamt wird die Vorlage zum CO2-Gestez stark verwässert und in der Schlussabstimmung deutlich abgelehnt. Nun ist der Ständerat mit einem kompletten Neustart der Arbeiten gefordert.

Die bisherigen Beratungen des CO2-Gesetzes sind aus der Sicht von swisscleantech ernüchternd. Der Nationalrat politisierte während vier Tagen an der Klimawissenschaft und auch an der Bevölkerung vorbei. Ohne Inlandziel stellt sich die Schweiz ins Abseits. Und ohne wirksames Klimagesetz vergibt sie die Chance, die vorhandenen Potenziale zur CO2-Reduktion im Verkehrs- und Gebäudebereich auszuschöpfen. Viele europäische Länder verfolgen bereits heute deutlich ambitioniertere Klimaziele. Damit die Schweiz ihre Pionierrolle im Bereich klimafreundlicher Technologien halten und den Unternehmen Investitionssicherheit bieten kann, braucht es verbindliche klimapolitische Rahmenbedingungen. Nur so machen wir unsere Infrastrukturen fit für die Zukunft.

Nun ist der Ständerat gefragt. Ab dem 10. Januar 2019 berät die Umweltkommission des Ständerats die Vorlage – und dies nach der Rückweisung durch den Nationalrat von Grund auf neu. Damit beginnt auch unser Engagement für eine wirksame Klimapolitik von Neuem: Wir fordern klare Rahmenbedingungen, die den Werkplatz Schweiz stärken, klimafreundliches Wirtschaften voranbringen und helfen den Ausstoss von Treibhausgasen durch geeignete Massnahmen zu senken. Die erforderlichen Technologien existieren bereits, nutzen wir die Chance.

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Weitere Informationen zur CO2-Gesetzesrevision

Medienmitteilung vom 11.12.2018:
«Nationalrat verweigert sich der Realität – Neustart der Revision CO2-Gesetz»