«Fit for 55»-Klimapaket: Die EU macht im Emissionshandel und mit Grenzausgleich vorwärts 


Am 18. Dezember hat sich die EU darauf geeinigt, im Rahmen ihres «Fit for 55%»-Programms den Klimaschutz weiter zu stärken. Die aktuellen Entscheide konzentrieren sich vor allem auf die Verschärfung des Emissionshandelssystems.

Fotografie: Christian Zeyer
Artikel
von Dr. Christian Zeyer
21.12.2022

Drei Punkte sind dabei besonders wichtig:

1. Schaffung eines neuen Zertifikathandelssystems für die Beheizung von Gebäuden und für den Verkehr bis 2027

In diesen Sektoren wurde bisher in der EU kein CO2-Preis erhoben. Die Kosten, welche durch diesen neuen Zertifikathandel für die Bevölkerung anfallen, sollen durch einen Klimasozialfonds abgefedert werden. Insgesamt sollen so von 2026 bis 2032 85 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, die vor allem dazu verwendet werden sollen, einkommensschwache Haushalte bei Effizienzmassnahmen zu unterstützen. Bezüglich der Bepreisung von Brennstoffen zieht die EU damit mit der Schweiz gleich und hängt die Schweiz im Bereich Verkehr ab – aktuell sind in der Schweiz keine Bestrebungen für eine Lenkung auf Treibstoffen absehbar.

2. Neue Grundsätze für den Emissionshandel

Einerseits soll die Menge an zur Verfügung stehenden Zertifikaten schneller gekürzt werden. Anderseits wird die bisherige Praxis der Vergabe geändert: Bisher erhielten Unternehmen den Grossteil ihrer Emissionszertifikate kostenlos zur Verfügung gestellt. Neu soll die Menge der freien Zertifikate, welche die besonders energieintensiven Industriesektoren mit Eisen, Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel und Wasserstoff erhalten, schrittweise auf Null reduziert werden. Dadurch werden sich diese Produkte auf dem Markt verteuern.

3. Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)

Um sicherzustellen, dass diese Industriesektoren in der EU wettbewerbsfähig bleiben, wird gleichzeitig mit «Grenzausgleichsmassnahmen» ein neues Instrument geschaffen: Wird beispielsweise Stahl oder Aluminium aus einem Land importiert, welches weniger strenge Klimagesetze hat als die EU hat, so wird dieses Produkt mit einer Grenzsteuer belegt und dadurch verteuert.

Aus der Sicht der Klimapolitik sind diese Schritte sehr erfreulich. Dass die Bereiche «Verkehr» und «Gebäudebeheizung» neu ebenfalls in ein Preislenkungssystem einbezogen werden sollen, ist deshalb wichtig, weil 35 % aller Emissionen aus diesen beiden Sektoren stammen. Das Auslaufen der freien Vergabe von Zertifikaten für energieintensive Bereiche kann dazu beitragen, dass weniger klimaschädliche Alternativen und bessere Prozesse den Vorrang erhalten.

Mit der Einführung von Grenzausgleichsmassnahmen begeht die EU interessantes Neuland: Diese Art der Grenzbesteuerung könnte dazu beitragen, engagierte Klimapolitik möglichst wirtschaftstauglich zu gestalten. Es darf allerdings nicht verschwiegen werden, dass die Entwicklung dieses neuen Werkzeugs für den Klimaschutz einige Herausforderungen mit sich bringt: Einerseits muss es gelingen, das Instrument so auszugestalten, dass es sich mit den Regeln des Welthandels vereinbaren lässt. Anderseits muss sichergestellt werden, dass diese Art der Grenzbesteuerung nicht dazu führt, dass die eigene, verarbeitende Industrie im Export beeinträchtigt wird. Korrekterweise müssten nämlich wieder ausgeführte Produkte, welche – wie im obigen Beispiel – Stahl oder Aluminium enthalten, bei der Ausfuhr wieder um den Aufschlag entlastet werden. Geschieht dies nicht, hätten die Verarbeiter der Rohmaterialien einen komparativen Kostennachteil auf dem Markt. Aus Sicht der Wirtschaftsverbände wird es deshalb notwendig sein, bei der Umsetzung genau hinzuschauen.

In der Schweizer Wirtschaft werden diese Veränderungen vor allem Grossemittenten betreffen, die dem europäischen Emissionshandelsystem angeschlossen sind. Die dort angewandten Regeln gelten also auch für Schweizer Produzenten in emissionsintensiven Branchen. Dies wird ihre Produkte in vergleichbarer Weise verteuern, gleichzeitig würde aber die EU auch beim Import darauf verzichten, Grenzausgleichsmassnahmen anzuwenden. Während die neuen Regeln des Handelssystems automatisch auf die Produkte angewendet würde, könnte die Schweiz frei entscheiden, ob sie auch Grenzausgleichsmassnahmen einführen möchte. Würde die Schweiz darauf verzichten, hätte beispielsweise Schweizer Zement auf dem heimischen Markt gegenüber Zement aus dem EU-Ausland einen komparativen Nachteil. Es ist daher davon auszugehen, dass die Schweiz auch bei den Grenzausgleichsmassnahmen nachziehen würde.

Dies sind nur einige der offenen Fragen, die sich bei der Umsetzung stellen werden. swisscleantech unterstützt jedoch diese Entwicklung und wird sie inhaltlich eng verfolgen.