Die Stossrichtung der Revision des Europäischen Emissionshandelsystems (EU ETS) stimmt, ist stellenweise mutig, birgt aber auch Risiken


Die Revision des Europäischen Emissionshandelsystems (EU ETS) geht in die richtige Richtung. Allerdings bleiben einige Fragen ungeklärt, ihr Erfolg hängt entscheidend von der Umsetzung im Detail ab. Auch die Schweizer Industrie muss sich diesen Herausforderungen stellen. Viel Aufholbedarf gibt es in der Gratisvergabe von Emissionsrechten. Der Einbezug von Flugzeugtreibstoffen ist mutig, birgt aber auch Risiken. Die Förderung von Biokraftstoff ist nur sinnvoll, soweit negative Effekte auf die Biodiversität vermieden werden können.

Allerdings bleiben auch einige Fragen offen, darunter die Frage, was längerfristig mit der Gratisvergabe von Emissionsrechten geschieht. Zur Frage nach der Gratisvergabe von Emissionsrechten: Ein zielorientiertes ‘Cap and Trade’-System ist nur möglich, wenn die freien Emissionsrechte schnell genug reduziert werden. Diese Reduktion ist bis heute nicht ausreichend vollzogen, was wesentlich dazu beigetragen hat, dass das EU ETS bisher nicht wirklich funktioniert. Entscheidend ist darüber hinaus, dass es der EU gelingt, die überschüssigen Zertifikate möglichst schnell aus dem System herauszuholen, weil diese die Preise tief halten.

Man muss sich im Klaren sein, dass die freie Vergabe von Zertifikaten dazu führt, dass die Firmen nur gerade ein Minimum an Anstrengung zur Reduktion ihrer Emissionen unternehmen. Es ist allerdings nachvollziehbar, dass die EU diese freie Vergabe der Zertifikate nach wie vor beibehält, solange das System der Grenzausgleichsmassnahmen (‘Carbon Border Adjustment Mechanism’) nicht greift. Darum ist es zwingend notwendig, dass die EU in diesem Bereich vorwärts macht. Es ist schade, dass dazu im Moment noch nicht alle Details bekannt sind. Die vorhandenen Informationen deuten aber darauf hin, dass es in die richtige Richtung geht –sollte die EU ein solches System einführen, ist davon auszugehen, dass die Schweiz nicht daran teilnehmen kann, solange die Beziehungen zur EU nicht geklärt sind. Dies ist bedauerlich.

Ein stufenweises Einstellen der freien Vergabe würde auch dazu führen, dass ein ETS deutlich einfacher umzusetzen ist. Auch hier liegt der Teufel bei der Umsetzung aber im Detail.

Für die Schweizer Industrie stellen sich damit viele offene Fragen. Grundsätzlich gesehen ist die Schweizer Industrie über den gekoppelten CH ETS mit dem EU ETS bezüglich der Preise verbunden. Die Ziele werden aber nicht automatisch angepasst; dies hätte in der Schweiz im CO2Gesetz gemacht werden müssen, welches in der Volksabstimmung abgelehnt wurde. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die EU Druck zur Zielanpassung ausüben wird, um in der EU gegenüber der Schweiz gleich langen Spiesse sicher zu stellen. Hier muss ein politischer Prozess in der Schweiz folgen. Generell gilt festzuhalten, dass die Frage der detaillierten Umsetzung natürlich noch unter den EU-Ländern abgesprochen werden muss und einige offene Fragen zu klären sind.

Die Erweiterung des EU ETS auf den Gebäude- und Verkehrsbereich beziehungsweise die Schaffung eines ähnlichen Systems ist in den ökonomischen Grundzügen vergleichbar mit der Lenkungsabgabe in der Schweiz – auch die Preise werden vergleichbar sein. Der Unterschied liegt in der Preisfestsetzung. Bei einer Lenkungsabgabe wird der Preis erhöht, wenn Ziele nicht erreicht werden. Bei einem ‘Cap and Trade’-System wird die Obergrenze (‘Cap’) gesetzt und der Preis entsteht durch die Knappheit. Das heisst: die Zielfestsetzung ist genauso verantwortlich für die Preisbildung wie das bei der Lenkungsabgabe Fall ist.

Das europäische Verbot von Verbrenner-Fahrzeugen bis zum Jahr 2035 ist vermutlich eine sinnvolle Massnahme. Ein schweizerisches Forschungsprojekt innerhalb des Nationalen Forschungsprogramms ‘Nachhaltige Wirtschaft’ (NFP 73), weist nach, dass eine Dekarbonisierung des Verkehrs alleine mit Lenkungsabgaben wohl nicht möglich ist, und so spätestens in den frühen dreissiger Jahren ein Verbot von Verbrennungsmotoren bei Neuwagen notwendig wird. Angesichts der zu erwartenden Preissenkungen dürfte dieses Verbot allerdings auch kein wirkliches Problem sein. Im Gegenteil sind die erwarteten Preisreduktionen bei den Kosten von Elektrofahrzeugen so stark, dass Verbrennerfahrzeuge schon vorher nicht mehr konkurrenzfähig sein dürften.

Der Einbezug der Flugzeugtreibstoffe in ein ETS ist ein mutiger Schritt, dessen Umsetzung aber einige Fragen aufwirft. Mit der maximalen Ausdehnung auf innereuropäische Flugbewegungen könnten zusätzliche Flüge über aussereuropäische Umsteigeknoten entstehen. Dies bedarf einer dringenden Abklärung. Es bleibt festzuhalten, dass der Flugverkehr weltweit die am schnellsten wachsende Quelle von Emissionen ist und gleichzeitig bei keiner Quelle die Reduktion der Emissionen so aufwendig und kompliziert ist. Bedauerlicherweise lässt sich hier wohl nur mit einem gewissen Verzicht eine Lösung realisieren, die dem Übereinkommen von Paris entspricht. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob in Sachen Flugzeugtreibstoff nicht eine übereuropäische, globale Lösung notwendig ist. Das aktuell gültige Abkommen welches auf den Namen Corsia hört reicht jedoch bei weitem nicht aus, um den Flugverkehr Paris-kompatibel zu gestalten.

Die Erhöhung der Ziele für erneuerbare Energien begrüssen wir, allerdings mit einer gewissen Zurückhaltung bezüglich der Förderung von Biokraftstoff. Hier muss sichergestellt werden, dass negative Effekte auf die Biodiversität vermieden werden. Entsprechende Richtlinien sind zwar seit 2018 in Kraft, Biodiversität ist aber – neben dem Klimawandel – eine der grössten globalen Herausforderungen. Gleichzeitig ist die Einführung eines Zertifikatssystems für sämtliche nicht fossilen Treibstoffe ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Entscheidend ist auch, dass dafür ein Handelssystem realisiert wird. Für die Schweiz besonders wichtig: Solche Brenn- und Treibstoffe müssen in den nationalen Treibhausgasbuchhaltungen sauber ein- und ausgebucht werden können.

Berücksichtigt werden muss ausserdem, dass es einen engen Zusammenhang zwischen EU ETS und anderen Massnahmen wie der Förderung von erneuerbaren Energien oder Effizienzvorschriften gibt. Ein Beispiel: Fördert man erneuerbare Energien, reduziert man den Anteil an fossilem Strom, was dazu führen kann, dass die Nachfrage nach Zertifikaten im Stromsektor sinkt und es ein Überangebot im ETS gibt.

Man muss also sicherstellen, dass die vorhandenen Zertifikate des EU ETS in einer sinnvollen Weise reduziert werden. Sonst ist der Effekt der, dass die Förderung der erneuerbaren Energien dazu führt, dass in anderen Bereichen weniger gemacht wird, weil die Preise für die Zertifikate wegen zu grossem Angebot zu tief sind.