Mit sechs mutigen Initiativen aus der Blockade der Klimapolitik


Der knappe, leider negative Ausgang der Abstimmung zum CO2-Gesetz erfordert eine Neubeurteilung der nächsten Schritte in der Schweizer Klimapolitik. Ein Innehalten ist nicht angebracht – dafür sind die Herausforderungen und die Risiken der Klimakrise zu gross.

Quelle: Unsplash
Artikel
von swisscleantech
01.07.2021
Abstract
Sechs Initiativen schiebt swisscleantech zur Kompensation des abgelehnten CO2-Gesetzes an. Sie sind alle umsetzbar und bringen die Schweiz einen Schritt weiter in die richtige Richtung. Die Firmen hinter swisscleantech wollen heute mit der Umsetzung beginnen!

Gleichzeitig – davon ist swisscleantech überzeugt – stellt ein richtiger Umgang mit den Herausforderungen der Klimakrise für unsere Wirtschaft eine Riesenchance dar. Gemeinsam können wir heute die Produkte schaffen, die die klimataugliche Zukunft prägen. Dafür benötigt die Wirtschaft die richtigen Rahmenbedingungen.

Wer einen Schritt zurücktritt, stellt fest: Die Schweizer Klimapolitik braucht mehr Markt. Vor allem braucht es aber auch besser funktionierende Märkte. Die Ablehnung des Gesetzes hatte nichts damit zu tun, dass die Bevölkerung etwas dagegen hätte, den Klimaschutz auch mit Hilfe von Marktmechanismen voranzubringen, sondern damit, dass wir von der Pro-Seite die Funktion der Lenkungsabgaben für den Markt nicht gut genug erklärt und vermittelt haben.

Fallen von Lenkungsabgaben
Das Verursacherprinzip muss auch in Zukunft im Vordergrund stehen, Subventionen sind nicht die richtige Lösung. Subventionen haben dann eine Bedeutung, wenn es darum geht, einen Markt erst zu ermöglichen oder ein vielversprechendes Produkt in den Markt zu bringen. Die Subventionierung von Wohlverhalten muss aber die absolute Ausnahme bleiben. Niemandem würde es in den Sinn kommen, Autofahrer*innen dafür zu bezahlen, dass sie die Tempolimite respektieren oder bei Rotlicht anhalten.

Wir haben aber auch zu wenig gegen verschiedene Marktversagen getan, die dafür sorgen, dass Märkte nicht richtig funktionieren können. swisscleantech nennt sie «Fallen». Wollen wir, dass Lenkungsabgaben wirken, müssen wir die damit verbundenen Marktversagen entschlossen angehen.
Nachfolgend finden sich die aus unserer Sicht wichtigsten Marktversagen in der Klimapolitik, die die Schweiz konkret und kurzfristig angehen kann, ohne den Volkswillen zu verletzen. Damit erhält die Schweizer Klimapolitik neues Momentum.

Die Sanierungsfalle
Viele Eigenheimbesitzer*innen sind bezüglich Emissionen mit Herausforderungen konfrontiert. Kurzfristig lässt sich nur sehr wenig gegen die Emissionen eines Gebäudes tun, und langfristig sind die Hürden hochgelegt, vor allem weil die Finanzierung – der Zugang zu Kapital – schwierig ist. Das gilt es zu ändern. Dann können Gebäude einfacher modernisiert werden.
Diesen Zusammenhang hat swisscleantech schon vor einiger Zeit erkannt und arbeitet deshalb an einem Lösungskonzept. Dieses setzt nicht auf massive Subventionen – das wäre teuer und würde zu grossen Mitnahmeeffekten führen –, sondern auf einen einfacheren Zugang zu Kapital.

Initiative 1: Einen Modernisierungsfonds schaffen
Ein solcher Fonds stellt auf privatwirtschaftlicher Basis günstiges, langfristiges Kapital für energetische Modernisierungsmassnahmen zur Verfügung. Der Staat federt nur das Ausfallrisiko ab (mehr dazu) .

Die Benzinfalle
Das CO2-Gesetz ist vor allem am Widerstand der Autofahrer*innen gescheitert. Für sie ist die Mobilität wichtig. Die Art des dabei benutzten Fahrzeugs ist ebenfalls wichtig – aber deutlich weniger, und viele sind bereit, für bessere Fahrzeuge mehr zu bezahlen. Der Wunsch teure und vor allem durstige Fahrzeuge zu kaufen, ist jedoch in erster Linie das Resultat der Marketingstrategie der Autoverkäufer. Das Dilemma der Fahrzeughalter*innen besteht darin, dass sie, ist das Auto gekauft, kaum mehr reagieren können. Dieser Lock-in – keine Lösung des Problems ohne grosse Investitionen – befeuerte das Nein.

Zwei Massnahmen drängen sich auf. Niemand soll davon abgehalten werden, ein teures Auto zu kaufen, wenn die finanziellen Mittel dazu vorhanden sind. Wir alle haben aber ein Interesse daran, dass dieses Fahrzeug sauber ist. Der Kauf ist der richtige Moment, dafür zu sorgen. Darum benötigen wir einen Anreiz für das Verkaufspersonal: Es soll saubere Fahrzeuge verkaufen.

Initiative 2: Die Flottengrenzwerte einführen
Flottengrenzwerte waren im Gesetz vorgesehen; sie waren unbestritten und sie sind wichtig für die Kunden*innen wie für die Verkäufer*innen, weil sie über Strafzahlungen einen Anreiz schaffen, effiziente Fahrzeuge zu verkaufen.

Es gilt aber auch, sicherzustellen, dass die neuen, effizienten Fahrzeuge ohne Unterbruch betrieben werden können. Ein Elektrofahrzeug, das man nicht laden kann, ist nutzlos – und genau davor fürchten sich die Käufer*innen. Wenn wir wollen, dass der Markt spielt, müssen wir den Konsument*innen im Moment des Kaufs die Sicherheit vermitteln, dass sie das Fahrzeug jederzeit laden können. Es geht nicht um Schnellladeparkplätze. Wir brauchen vor allem eine grosse Dichte von Ladestationen mit tieferer Kapazität – dafür aber in der Breite. Jede Strassenlampe muss zur Ladestation werden.

Initiative 3: Eine Ladestationen-Initiative starten
Drei Massnahmen sind unserer Meinung nach nützlich für eine solche Ladestationen-Initiative:

  • Förderung von dezentralen Ladestationen, beispielsweise an Strassenlaternen, inklusive Parkplatzmanagement
  • Förderprogramm für die Ausrüstung privater Einstellhallen mit Ladestationen, falls die Liegenschaft mit einer PV-Anlage im Eigenverbrauch ausgestattet ist
  • Investitionen in intelligente Lademanagementsysteme innerhalb von Quartieren zur Reduktion der Spitzen.

Dazu wird Geld benötigt. Dieses soll aus dem Steuersubstrat kommen – damit der Markt für effiziente Fahrzeuge auch wirklich spielen kann. Bei langfristiger Finanzierung lassen sich die Kosten jedoch wieder erwirtschaften.

Die Stromfalle
Damit auch in Zukunft genügend Strom zur Verfügung steht und die Schweiz nicht auf Gaskraftwerke ausweichen muss, darf die Stromversorgungspolitik nicht von der Klimapolitik getrennt werden. Auch die oben beschriebenen Initiativen sind auf eine zuverlässige Stromversorgung angewiesen. Der Strommarkt ist heute gesättigt, Strom gibt es genug. Logischerweise investiert niemand in grosse Kraftwerke. Unter den heutigen Bedingungen lohnt es sich nicht. Aber zuwarten heisst den Blackout riskieren – besonders im Winter. Das wollen wir nicht, die Folgen wären verheerend. Deshalb braucht es den Zubau der erneuerbaren Energien in der Schweiz. Die dazu nötigen Anlagen müssen vorfinanziert werden. swisscleantech will jedoch keine Subventionsschlacht, sondern möglichst viel Markt. Darum setzen wir auf Auktionen.

Initiative 4: Radikale, neue Winterauktionen für Stromproduktionsanlagen einführen
Nur die günstigsten erneuerbaren Energien, davon vor allem die Winterproduktion, sollen zusätzlich vergütet werden. Damit sichern wir auch im Winter eine ausreichende Produktion (mehr dazu).

Die Erfinderfalle
Selten schafft es eine wichtige Innovation in den Markt, ohne dass der Staat bei der Finanzierung mithilft. Bei Cleantech ist vor allem der Weg in den Markt eine Herausforderung, weil sich die anfangs teuren Innovationen im Markt gegen bestehende Produkte durchsetzen müssen. Wenn wir wollen, dass die Schweiz ihr volles Innovationspotenzial ausschöpft, müssen wir sicherstellen, dass Start-ups gute Bedingungen vorfinden, um sich in der Schweiz zu etablieren und danach weltweit zu wachsen. Heute ist es anders: Wollen Start-ups weiter wachsen, gehen sie ins Ausland – wie kürzlich das vielversprechende Start-up Synhelion, das Synfuel-Benzin aus Solarenergie herstellen will. Das muss sich ändern!

Initiative 5: Eine Innovationsinitiative starten
Nirgends soll es vorteilhafter sein, zu forschen, zu erfinden und Produkte auf den Markt zu bringen, als in der Schweiz. Wege dazu gibt es – auch mit deutlich weniger Geld, als über den Klimafonds zur Verfügung gestanden hätte (mehr dazu) .

Viel wichtiger ist es aber, dass wir neue Märkte für Innovationen schaffen. Hier spielt die öffentliche Beschaffung eine wichtige Rolle. Engagiert sie sich für nachhaltige Produkte, auch wenn diese in der Anschaffung etwas teurer sind, öffnet sich ein Heimmarkt für Innovationen von 40 Mia. Franken pro Jahr. Das neue Beschaffungsrecht öffnet die Türen zu einem solchen Engagement. Weil die Lebenszykluskosten nachhaltiger Produkte oft tiefer sind, sind solche Beschaffungen für den Staat häufig sogar günstiger.

Die Weltmarktfalle
Wir in der Schweiz können und wollen einen Schritt vorangehen. Mit den fünf vorgestellten Initiativen wollen wir unseren Heimmarkt für die Zukunft fit machen und dafür sorgen, dass unsere Volkswirtschaft mit klimatauglichen Produkten versorgt wird. Dafür müssen die Rahmenbedingungen verändert werden. Sollen gleichzeitig unsere Arbeitsplätze geschützt werden, braucht es gleich lange Spiesse auf dem Weltmarkt. Langfristig optimale Lösungen dafür können kaum auf der Insel Schweiz allein eingeführt werden. Wir haben aber bereits ein herausragendes Programm, das den Firmen hilft, gleichzeitig klimatauglicher zu werden und bezüglich Kosten auf dem Weltmarkt fit zu bleiben.

Initiative 6: Die Verpflichtungslösung beibehalten
Aktuell ist in der Schweiz eine elegante Lösung in Kraft, die Firmen hilft, kostengünstig effizient zu werden. Wer als Firma mit dem Bund eine Verpflichtung zur Emissionsreduktion eingeht, kann von Lenkungsabgaben befreit werden. Dieses Programm ist ausgesprochen erfolgreich und soll so weitergeführt werden, bis bessere Lösungen auf internationaler Ebene verfügbar sind.

Diese sechs Initiativen sind alle umsetzbar und bringen die Schweiz einen Schritt weiter in die richtige Richtung. Die Firmen hinter swisscleantech wollen heute mit der Umsetzung beginnen!

Ein Beitrag aus dem Jahresbericht
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