Energiekommission des Nationalrats stellt Weichen für mehr Innovation im Verteilnetz

Für swisscleantech ist klar: Das Stromsystem der Zukuft ist erneuerbar, dezentral und digital. Dabei darf nicht vergessen werden, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien zahlreiche Herausforderungen für das Verteilnetz mit sich bringt. Zukunftsweisend sind deshalb der flexible Ausgleich von Produktion und Verbrauch auf lokaler Ebene, smarte Netze und ein effizienter Netzausbau. Dafür braucht es passende regulatorische Rahmenbedingungen, die lange Zeit nicht gegeben waren. Die Energiekommission des Nationalrats hat nun im « Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» wichtige Weichen dafür gestellt.

Liberalisierung des Messwesens als Voraussetzung für mehr Innovation

swisscleantech begrüsst insbesondere den Entscheid der Kommission, das Messwesen für grosse Verbraucher und weitere Akteure zu liberalisieren. Der diskriminierungsfreie und faire Zugang zu den Messdaten ist unabdingbar, um die Digitalisierung der Stromnetze voranzutreiben und führt zu mehr Innovation und Transparenz im Stromnetz. Die Liberalisierung des Messwesens ist denn auch eine Grundvoraussetzung für viele innovative Geschäftsmodelle, welche für die sichere und effiziente Stromversorgung der Zukunft notwendig sind. swisscleantech hat sich deshalb intensiv für diesen Schritt eingesetzt.

Potential der Fahrzeugbatterien nutzen

Entscheidend ist ausserdem die Anerkennung von dezentralen Stromspeichern wie stationären Batteriespeichern und Fahrzeugbatterien als wichtige Stützen für die Stabilisierung der Stromnetze und für die Integration der erneuerbaren Energien. Heute sind dezentrale Speicher gegenüber anderen Speicherformen benachteiligt, da sie nicht vom Netzentgelt ausgenommen sind. Die Energiekommission hat diese Ungleichbehandlung korrigiert und entschieden, dezentrale Speicher für denjenigen Anteil des gespeicherten Stroms vom Netzentgelt zu befreien, welcher wieder an das Netz zurückgegeben wird. Gerade im Zusammenspiel mit der Elektromobilität ist dieser Entscheid sehr zu begrüssen. Eine kürzlich publizierte Studie der ETH Zürich zeigt auf, dass es möglich ist, die Systemkosten im Strombereich dank der intelligenten Integration von Fahrzeugbatterien um bis zu 6.5 Milliarden Franken zu senken.

Lokale Elektrizitätsgemeinschaften ermöglichen

swisscleantech unterstützt weiter die durch die Energiekommission verbesserten Rahmenbedingungen für lokale Elektrizitätsgemeinschaften.  Zusätzlich zu den Zusammenschlüssen zum Eigenverbrauch (ZEV) können diese den Ausgleich von Produktion und Verbrauch auf lokaler Ebene fördern und damit auch die Kosten für den Netzausbau senken. Insbesondere die intelligente Kombination von Fahrzeugbatterien und Photovoltaikanlagen bietet dafür ein enormes Potenzial.

Ein Wermutstropfen bleibt der Entscheid,  dass die Netzbetreiber grundsätzlich das Recht haben sollen, Flexibilitäten zu nutzen, so lange die Inhaber*innen der Flexibilität dies nicht ausdrücklich untersagen. Damit werden die bestehenden Monopole gefestigt und lokale Flexibilitätsmärkten behindert.

Insgesamt positive Bilanz

Insgesamt zieht swisscleantech ein sehr positives Fazit und würdigt die speditive Arbeit der Kommission. Co-Geschäftsführer Christian Zeyer sagt dazu: «Für eine klimataugliche Wirtschaft braucht es mehr Innovation. Mit ihren Entscheiden hat die Energiekommission des Nationalrats dafür gesorgt, dass diese Innovation vermehrt auch im Verteilnetz stattfinden kann, was einer langjährigen Forderung von swisscleantech entspricht.»

Das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien wird in der Frühjahrssession vom Nationalrat behandelt und soll bis im Sommer vom Parlament verabschiedet werden.

Frischer Wind in der Schweizer Energieversorgung

Aus der Perspektive des Rechtsstaates ist es bedauerlich, dass es eine globale Krise und ein Dringlichkeitsgesetz braucht, um die Windenergie auch in der Schweiz aus den Startlöchern zu bringen – sie ist eine wichtige Technologie für die sichere und erneuerbare Stromversorgung . Schuld sind wie so oft alle, an erster Stelle die Verfasser*innen von Einsprachen: Mit stellenweise irrwitzigen Argumenten versuchen sie, jedes Projekt Bewilligungsschritt für Bewilligungsschritt zu blockieren. Die Komplexität der Bewilligungsverfahren spielt ihnen dabei in die Hände: Zu viele Fälle überfordern die zuständigen Gerichte. Und auch die Förder*innen der Windenergie suchen zu spät das Gespräch mit der betroffenen Bevölkerung.

Das Bekenntnis zur Windenergie ist für swisscleantech bereits seit der ersten 2012 veröffentlichten Energiestrategie stark: Windturbinen produzieren zwei Drittel ihrer Produktion im Winter und das zu geringen Umweltkosten. Nach sauberer Analyse kann man sehr gut unterscheiden, welche Windturbinen auch aus der Perspektive der Biodiversität sinnvoll sind und welche nicht.

Dennoch blieb der Bau von Windenergieanlagen dermassen blockiert, dass in den letzten zehn Jahren nur rund 35 Megawatt an Leistung zugebaut wurde, was insgesamt etwa zehn modernen Windturbinen entspricht. Mit dieser Geschwindigkeit wird die Windenergie keinen substanziellen Anteil der Stromversorgung sicherstellen. Trotzdem zeigen auch unsere neuen Berechnungsmodelle: Windenergie ist für eine stabile Stromversorgung wichtig.

Wir begrüssen es daher sehr, dass das Parlament nun auch für die Windenergie ein dringliches Beschleunigungsgesetz auf den Weg bringt. Mit diesem Gesetz kann es gelingen, dass zahlreiche Projekte – die in der Abklärung bereits weit fortgeschritten sind und bei denen die grundsätzliche Abwägung zwischen Schutz und Nutzen bereits erfolgt ist – nun zügig realisiert werden können. Es ist auch erfreulich, dass das Gesetz in der nun vorliegenden Version deutlich verbessert wurde. So soll die dritte Stufe des Bewilligungsprozesses – die konkrete Baubewilligung – nicht mehr komplett gestrichen, sondern so eingeschränkt werden, dass nur noch Fragen von grundsätzlicher Natur an das Bundesgericht weitergezogen werden können. Dies wird die Prozesse erheblich beschleunigen.

Das vorliegende Beschleunigungsgesetz darf jedoch nicht zur Standardvorlage diverser Bewilligungsprozesse werden. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es eine saubere Auslegerordnung für jeden Bauentscheid braucht: Rechtsstaatlichkeit ist ein wichtiges Gut und die Interessenabwägung zwischen den in der Verfassung festgehaltenen Güter Biodiversität, Energiegewinnung und Landschaftsschutz ist ein ernst zu nehmendes Anliegen.

Es ist gleichzeitig nicht nachvollziehbar, weshalb Bewilligungsprozesse für Windturbinen zum Teil 20 Jahre dauern müssen. Nach einer sauberen Grundlagenanalyse und mit genügend grossen Kapazitäten bei den Gerichten ist es möglich, Windturbinen innerhalb einer deutlich kürzeren Frist zu bewilligen. Dies sollte auch die Anzahl der Einsprachen dramatisch reduzieren. Viele Einsprachen verfolgen in erster Linie einen Zweck: Den Bau der Anlagen so lange wie möglich zu verhindern. Werden die Prozesse beschleunigt, verliert dieses Spiel deutlich Anreiz, die Projekte werden schneller realisiert.

Mit Sicherheit gelingt es aber auch, den Bewilligungsprozess zu beschleunigen, wenn frühzeitig das Gespräch mit den Betroffenen gesucht wird. Hier besteht auf jeden Fall Verbesserungspotential. Sehr oft, so zeigen Erfahrungen im Ausland, wird die Realisierung erleichtert, wenn sich die Anrainer*innen in einem sogenannten Bürgerwindprojekt an der geplanten Anlage beteiligen können. 

Damit wir den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern rechtzeitig schaffen, braucht es aber auch ein gesellschaftliches Umdenken: Nichts wird unsere Lebensweise und auch unsere Landschaft so verändern wie der Klimawandel. Kompromisse im Landschaftsschutz sind notwendig, wenn wir die notwendigen Massnahmen rechtzeitig umsetzen wollen. Gleichzeitig war die Wahrnehmung der Landschaft immer einer kulturellen Wertung unterworfen. Wir sind zuversichtlich, dass in Zukunft die Windturbinen genau so positiv bewertet werden und zum Landschaftsbild gehören wie unsere Speicherseen – und als Zeichen des Fortschritts und der Unabhängigkeit gedeutet werden.

Michael Mandl wird neuer Co-Geschäftsführer von swisscleantech

swisscleantech hat sich in den letzten Jahren als die ambitionierte, branchenübergreifende Stimme der Wirtschaft mit Fokus auf Energie & Klima etabliert. Rund 600 Unternehmen und Verbände aus allen Branchen sind mittlerweile Teil der klimatauglichen Wirtschaft, was einer Verdreifachung der Mitglieder seit 2019 gleichkommt. Neben zahlreichen Startups und KMU sind auch rund 50% der SMI-Firmen bei swisscleantech engagiert. Mit der wachsenden Mitgliederbasis wächst auch das Potenzial, die anstehenden energie- und klimapolitischen Entscheide mitzuprägen und die Unternehmen bei der Erreichung ihrer eigenen Klimaziele zu unterstützen – deshalb hat swisscleantech das Geschäftsstellen-Team für 2023 verstärkt.

Co-Präsident Fabian Etter sagt dazu: «Es freut mich sehr, dass wir nach den positiven Entwicklungen der letzten Jahre nun unser Team ausbauen können. Mit Michael Mandl haben wir einen ausgewiesenen Polit-Experten mit viel Know-how in Energie- und Klimafragen gewinnen können. Er ist eine ideale Ergänzung und wird uns helfen, unsere Anliegen in den zahlreichen anstehenden Geschäften in der Energie- und Klimapolitik wie etwa dem neuen CO2-Gesetz oder dem Mantelerlass wirkungsvoll einzubringen.» Michael Mandl war über sieben Jahre in verschiedenen Funktionen für die FDP Schweiz tätig und erarbeitete sich dabei ein breites Netzwerk in Politik, Verbänden und Verwaltung. Er sagt zu seiner Ernennung: «Ich freue mich sehr, mein Wissen und meine Erfahrung in der Schweizer Politik zugunsten von swisscleantech einzusetzen. Die Positionierung des Verbandes überzeugt mich sehr und seine Forderungen in der Klima- und Energiepolitik sind aktueller denn je.»

Um dem steigenden Anliegen der swisscleantech Mitglieder nach Vernetzung und Wissensvermittlung gerecht zu werden, ist zum Jahresbeginn weiter Madeleine Guyer zum Team gestossen. Sie wird die swisscleantech Community weiterentwickeln und Mitgliederbeziehungen pflegen. Sie war vorher während rund 15 Jahren für das Forschungs- und Beratungsunternehmen INFRAS tätig.

Christian Zeyer, der bisher alleinige Geschäftsführer, sieht diese Zugänge als grosse Chance: «Diese Verstärkung unseres Teams macht uns im Dialog mit unseren politischen Stakeholdern und im immer wichtiger werdenden Community Management schlagkräftiger. Sie ermöglicht es mir zudem, mich vermehrt um Strategie und Inhalte zu kümmern, was angesichts der zahlreichen aktuellen Dossiers zentral ist.»

Michael Mandl

Co-Geschäftsleiter

Madeleine Guyer

Head of Community & Membership Relations

Support Admin & Events

swisscleantech vereint rund 600 Unternehmen und Verbände aus allen Branchen: Vom innovativen Startup bis hin zum internationalen Grossunternehmen. Als branchenübergreifender Verband setzen wir uns dafür ein, dass sich klimataugliches Wirtschaften lohnt. swisscleantech ist seit mehr als 10 Jahren eine prägende Stimme in der Schweizer Energie- und Klimapolitik. Wir bringen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zusammen, vermitteln Know-how und vernetzen unsere Mitglieder.

Zur Verstärkung suchen wir ein neues Teammitglied als

Support Admin & Events

(80 Stellenprozent)

 

Was dich bei uns erwartet

  • ein vielseitiges Tätigkeitsgebiet mit viel Gestaltungsspielraum
  • eine sinnstiftende Mission und eine hohe Impact-Orientierung
  • eine Non-Profit-Organisation mit Startup-Spirit und flachen Hierarchien
  • eine engagierte und stark wachsende Community (Mitglieder und Partner*innen)
  • ein attraktiver Arbeitsplatz mitten in der Stadt Zürich

Wie du zum Erfolg von swisscleantech beiträgst

  • Verantwortung für allgemeine Sekretariatsarbeiten und die Pflege des CRM
  • Unterstützung bei der Planung und Durchführung von Events (physisch & virtuell)
  • Mitarbeit bei der Planung und Durchführung von Akquise- und Follow-up-Massnahmen
  • Unterstützung in der Kommunikation: Textredaktion, Texterstellung und Recherche für Social Media, Newsletter und Website; Website-Pflege (Content Management); Erstellung von Analysen

Was du mitbringst

  • Du zeichnest dich durch organisatorisches und administratives Flair aus
  • Du arbeitest selbstständig, denkst vernetzt und verfügst über eine schnelle Auffassungsgabe
  • Du hast Erfahrung im Umgang mit CRM- und CMS-Systemen
  • Du bist initiativ, kommunikativ (in Wort und Schrift), kreativ und kontaktfreudig
  • Du interessierst dich für klimataugliches Wirtschaften

Du willst die klimataugliche Wirtschaft voranbringen und einen Unterschied machen?
Dann melde dich bei uns und sende deine Bewerbung an bewerbung@swisscleantech.ch! Bei Fragen steht dir Madeleine Guyer, Mitgliederbeziehungen & Community unter 058 580 08 09 zur Verfügung. Für diese Stelle berücksichtigen wir ausschliesslich Direktbewerbungen.

Diese klimapolitischen Massnahmen wünscht sich die Schweizer Bevölkerung

Die wichtigste Erkenntnis der Befragung ist, dass Lenkungsabgaben in der Bevölkerung breit akzeptiert sind. Nur 17% der Befragten haben sich kritisch zu Lenkungsabgaben im neuen CO2-Gesetz geäussert. 47% der Befragten waren sogar der Meinung, dass in der Klimapolitik Lenkungsabgaben im Vordergrund stehen sollten. Ebenfalls interessant ist, dass Subventionen von einem Viertel der befragten kritisch betrachtet werden und gleichzeitig «nur» von 38% der Befragten vorwiegend begrüsst werden. Verbote fallen mit nur 16% Zustimmung deutlich ab.

Bei der Art der Mittelverwendung befürworteten die Befragten eine Zweckbindung gegenüber der Rückverteilung – dies entgegen dem weitgehenden Konsens der Wirtschaftswissenschaften, dass Lenkung und Subvention nicht gekoppelt werden sollten. Auch eine Rückverteilung findet mehr Befürworter*innen als Gegner*innen. Die heutige Lösung mit Zweckbindung und Rückverteilung scheint gut akzeptiert zu sein, wird doch beides von einer Mehrheit angenommen.

Das Wissen über die Funktionsweise der bestehenden Lenkungsabgabe im CO2-Gesetz ist nach wie vor zu gering. Rund 60% der Befragten waren nicht in der Lage, zu beantworten, wie die Einnahmen verwendet werden und wie gross der rückverteilte Betrag ist. Gegenüber der Umfrage im Jahr 2019 nahm das Wissen sogar ab. Da ist es nicht weiter erstaunlich, dass nur 23% der Befragten die Höhe der Rückerverteilungen korrekt angeben konnten.

Diese Resultate decken sich mit den Untersuchungen der Universität St. Gallen, welche in einer Befragung ebenfalls feststellte, dass über 70% der Befragten nicht wusste, dass sie im Vorjahr eine Rückverteilung via Krankenkassenrechnung erhielt.

Es ist davon auszugehen, dass die Akzeptanz von Lenkungsabgaben sogar höher wäre, wenn die Funktionsweise besser verstanden würde. Umso wichtiger ist es, dass allgemein und im Hinblick auf mögliche weitere Volksabstimmungen mehr dafür getan wird, um die Funktion und die Vorteile von Lenkungsabgaben besser zu erklären. swisscleantech wird sich auch in Zukunft für ein besseres Verständnis in der Bevölkerung einsetzen und fordert alle anderen Akteure dazu auf, ebenfalls ihren Beitrag zu leisten.

Abschliessend wurden die Proband*innen danach befragt, wie sie die Auswirkungen von Lenkungsabgaben bezüglich sozialer Gerechtigkeit einschätzen würden. Es herrscht die Meinung vor, dass Lenkungsabgaben sozial Schwächere mehr belasten würden. Auch hier zeigt sich Klärungsbedarf. Bereits 2019 wies swisscleantech mit einer Studie nach, dass Lenkungsabgaben mit Rückverteilungen sozial Schwächere eher entlastet.

Einordnung der Resultate durch swisscleantech

swisscleantech setzt sich konsequent für eine Stärkung von Lenkungsabgaben in der Klimapolitik ein. Lenkungsabgaben setzen die richtigen Anreize für die Entscheide von Unternehmen wie Privatpersonen in Richtung von mehr Klimaschutz – ohne grosse Mitnahmeeffekte und ohne Belastung der Staatsrechnung. Für swisscleantech sind sie das Mittel der Wahl, sollen jedoch in geeigneter Form ergänzt werden, um die Wirkung oder Akzeptanz von Massnahmen zu erhöhen.

Die Ergebnisse der Umfrage stützen die Position von swisscleantech und zeigen auf, dass die Ablehnung der Totalrevision des CO2-Gesetzes in der Volksabstimmung vom Juni 2021 differenziert interpretiert werden soll: Lenkungsabgaben werden von einer klaren Mehrheit positiv beurteilt und sollen deshalb auch in der Neuauflage der Revision des CO2-Gesetzes entsprechend berücksichtigt werden.

Zur Position von swisscleantech zur neuen Revision des CO2-Gesetzes

Insgesamt befürwortet swisscleantech die aktuelle Vorlage zur Revision des CO2-Gesetzes. Zur Erreichung der Schweizer Klimaziele bis 2030 ist es zentral, dass sich eine breite Mehrheit der Politik und Bevölkerung rasch auf ein Massnahmenpaket einigt, um ein Stehenbleiben in der Klimapolitik zu verhindern. Darüber hinaus fordern wir Verbesserungen in folgenden vier Kernbereichen des CO2-Gesetzes:

  1. Die Reduktionsmassnahmen sollen prioritär in der Schweiz erfolgen. Um sicherzustellen, dass dieses Zeil auch erreicht wird, empfehlen wir die Verankerung eines Inlandziels. Ausserdem sollte das Reduktionsziel auf Grund der klimawissenschaftlichen Fakten auf 60% bis 2030 erhöht werden.

  2. Wir empfehlen, das heute etablierte System von Lenkungsabgaben bei den Brennstoffen in seiner Wirkung weiter zu stärken, indem die Obergrenze für den CO2-Preis auf 200 Franken pro Tonne CO2 erhöht wird. Auf eine Erhöhung der Zweckbindung soll jedoch verzichtet werden.

  3. Bürgschaften sind ein probates Mittel, um langfristige Investitionen zu ermöglichen und zu vergünstigen. Als Beispiel mag der Bau von Fernwärmversorgungen oder die energetische Modernisierung des Gebäudebestandes gelten. Letzterer bildet einen besonders wichtigen Pfeiler des Klimaschutzes. Viele Private bekunden jedoch Mühe, eine energetische Modernisierung zu finanzieren. Wir empfehlen daher, Bürgschaften in Art 4 des CO2-Gesetzes Bürgschaften als neues «Mittel» zum Schutz des Klimas zu etablieren.

  4. Die Dekarbonisierung des Verkehrs muss zwingend über die Elektrifizierung führen. Der Engpass ist heute die Basisinfrastruktur zum Laden der Fahrzeuge. Hier ist eine aktive Rolle des Staates gefordert. Neben Anschubfinanzierungen könnten auch hier Bürgschaften kostengünstig Abhilfe schaffen.

 

Zu den vollständigen Umfrageresultaten

Zwei Organisationen, ein Ziel: Grüne Logistik

Um die Schweizer Logistik mit neuem Schwung auf Netto-Null-Kurs zu bringen, gehen Lean & Green und swisscleantech eine Partnerschaft ein. Trotz aller Bemühungen ist der Güterverkehr für 6 Prozent der Treibhausgase in der Schweiz verantwortlich. Leider kommt die Dekarbonisierung des Güterverkehrs nur schleppend voran, die Emissionswerte sind in den letzten 10 Jahren auf hohem Niveau stabil geblieben.

Im laufenden Jahr sind von den 3’045 neu zugelassenen schweren Fahrzeugen (ab 3.5 Tonnen) lediglich 94 Fahrzeuge elektrisch und 2 Fahrzeuge mit Wasserstoff betrieben (Stand 1.11.2022). Damit werden lediglich 3 Prozent dieser neu zugelassenen Fahrzeuge mit nicht-fossiler Energie betrieben. Für beide Organisationen ist das Grund genug, die Kräfte zu bündeln und die grüne Logistik voranzutreiben.

Mit Lean & Green die Emissionen reduzieren

In der Schweiz wird die Lean & Green Initiative von GS1 Switzerland getragen. 2008 in Holland gegründet und mittlerweile in über 16 Ländern etabliert, unterstützt die Kampagne Unternehmen in Transport und Logistik dabei, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Unternehmen werden für ihre Verpflichtung und deren Zielerreichung, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, mit dem Lean & Green Award und den Lean & Green Sternen ausgezeichnet. Den Award erhält ein Unternehmen für die Kalkulation und Eingabe eines Aktionsplans zur Reduktion der CO2-Emissionen und die Sterne werden für das Erreichen bestimmter Reduktionsziele vergeben.

Die Lean & Green Initiative ermöglicht einen strukturierten Ansatz, senkt CO2-Emissionen sowie unternehmerische Kosten und trägt so zum Klimaschutz wie auch zum unternehmerischen Erfolg bei. Darüber hinaus ermöglicht die Lean & Green Community den Erfahrungsaustausch an öffentlichen oder Community-Events unter gleichgesinnten Unternehmen.

Mit swisscleantech zu neuen Lösungen

Auch swisscleantech sieht in der Branche eine hohe Notwendigkeit, aber auch viele Chancen, um die Logistik klimatauglich zu gestalten. Für den Wirtschaftsverband liegt der aktuelle politische Fokus zur Dekarbonisierung des Verkehrs zu stark auf dem motorisierten Individualverkehr. So sind beispielsweise beim CO2-Gesetz, das sich aktuell in der Revision befindet, lediglich Fördergelder für den Privatverkehr vorgesehen. Darüber hinaus verlangt nachhaltige Mobilität mehr als effiziente Fahrzeuge: Auch der Verkehr selber muss besser organisiert werden.

Um hierzu Lösungen zu entwerfen, hat swisscleantech die «Arbeitsgruppe Grüne Logistik» ins Leben gerufen. Dank der branchenübergreifenden Ausrichtung von swisscleantech sind Mitglieder entlang der ganzen Wertschöpfungskette vertreten: Hersteller und Importeure von Fahrzeugen, Transport- und Logistikunternehmen sowie Dienstleistungsempfänger.

Neben dem Erfahrungsaustausch sollen in erster Linie neue Ansätze zur Dekarbonisierung der Logistik erarbeitet werden, um beispielsweise die Finanzierung der Ladeinfrastruktur für E-LKW sicherzustellen.

Lean & Green und swisscleantech Doppelmitglieder

Aktuell sind mit Lidl Schweiz, Krummen Kerzers AG und der Schweizerischen Post mehrere Unternehmen sowohl bei der Lean & Green Initiative als auch bei swisscleantech Mitglied. Sie alle profitieren bereits heute von den Vorteilen der Doppelmitgliedschaft.

Zum einen werden sie mit der Lean & Green Initiative bei konkreten Massnahmen zur Emissionsminderung unterstützt und für ihre Fortschritte ausgezeichnet. Zum anderen bringen sie bei swisscleantech ihre Erfahrungen und Problemstellungen ein, um zusammen mit anderen Unternehmen, aber auch mit Politik und Verwaltung, die Dekarbonisierung voranzutreiben. So können zukünftig die Aktivitäten besser aufeinander abgestimmt und Anliegen gemeinsam eingebracht werden.

 

Gregory Germann, Verantwortlicher Projekte, zur Partnerschaft

«Fit for 55»-Klimapaket: Die EU macht im Emissionshandel und mit Grenzausgleich vorwärts 

Drei Punkte sind dabei besonders wichtig:

1. Schaffung eines neuen Zertifikathandelssystems für die Beheizung von Gebäuden und für den Verkehr bis 2027

In diesen Sektoren wurde bisher in der EU kein CO2-Preis erhoben. Die Kosten, welche durch diesen neuen Zertifikathandel für die Bevölkerung anfallen, sollen durch einen Klimasozialfonds abgefedert werden. Insgesamt sollen so von 2026 bis 2032 85 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, die vor allem dazu verwendet werden sollen, einkommensschwache Haushalte bei Effizienzmassnahmen zu unterstützen. Bezüglich der Bepreisung von Brennstoffen zieht die EU damit mit der Schweiz gleich und hängt die Schweiz im Bereich Verkehr ab – aktuell sind in der Schweiz keine Bestrebungen für eine Lenkung auf Treibstoffen absehbar.

2. Neue Grundsätze für den Emissionshandel

Einerseits soll die Menge an zur Verfügung stehenden Zertifikaten schneller gekürzt werden. Anderseits wird die bisherige Praxis der Vergabe geändert: Bisher erhielten Unternehmen den Grossteil ihrer Emissionszertifikate kostenlos zur Verfügung gestellt. Neu soll die Menge der freien Zertifikate, welche die besonders energieintensiven Industriesektoren mit Eisen, Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel und Wasserstoff erhalten, schrittweise auf Null reduziert werden. Dadurch werden sich diese Produkte auf dem Markt verteuern.

3. Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)

Um sicherzustellen, dass diese Industriesektoren in der EU wettbewerbsfähig bleiben, wird gleichzeitig mit «Grenzausgleichsmassnahmen» ein neues Instrument geschaffen: Wird beispielsweise Stahl oder Aluminium aus einem Land importiert, welches weniger strenge Klimagesetze hat als die EU hat, so wird dieses Produkt mit einer Grenzsteuer belegt und dadurch verteuert.

Aus der Sicht der Klimapolitik sind diese Schritte sehr erfreulich. Dass die Bereiche «Verkehr» und «Gebäudebeheizung» neu ebenfalls in ein Preislenkungssystem einbezogen werden sollen, ist deshalb wichtig, weil 35 % aller Emissionen aus diesen beiden Sektoren stammen. Das Auslaufen der freien Vergabe von Zertifikaten für energieintensive Bereiche kann dazu beitragen, dass weniger klimaschädliche Alternativen und bessere Prozesse den Vorrang erhalten.

Mit der Einführung von Grenzausgleichsmassnahmen begeht die EU interessantes Neuland: Diese Art der Grenzbesteuerung könnte dazu beitragen, engagierte Klimapolitik möglichst wirtschaftstauglich zu gestalten. Es darf allerdings nicht verschwiegen werden, dass die Entwicklung dieses neuen Werkzeugs für den Klimaschutz einige Herausforderungen mit sich bringt: Einerseits muss es gelingen, das Instrument so auszugestalten, dass es sich mit den Regeln des Welthandels vereinbaren lässt. Anderseits muss sichergestellt werden, dass diese Art der Grenzbesteuerung nicht dazu führt, dass die eigene, verarbeitende Industrie im Export beeinträchtigt wird. Korrekterweise müssten nämlich wieder ausgeführte Produkte, welche – wie im obigen Beispiel – Stahl oder Aluminium enthalten, bei der Ausfuhr wieder um den Aufschlag entlastet werden. Geschieht dies nicht, hätten die Verarbeiter der Rohmaterialien einen komparativen Kostennachteil auf dem Markt. Aus Sicht der Wirtschaftsverbände wird es deshalb notwendig sein, bei der Umsetzung genau hinzuschauen.

In der Schweizer Wirtschaft werden diese Veränderungen vor allem Grossemittenten betreffen, die dem europäischen Emissionshandelsystem angeschlossen sind. Die dort angewandten Regeln gelten also auch für Schweizer Produzenten in emissionsintensiven Branchen. Dies wird ihre Produkte in vergleichbarer Weise verteuern, gleichzeitig würde aber die EU auch beim Import darauf verzichten, Grenzausgleichsmassnahmen anzuwenden. Während die neuen Regeln des Handelssystems automatisch auf die Produkte angewendet würde, könnte die Schweiz frei entscheiden, ob sie auch Grenzausgleichsmassnahmen einführen möchte. Würde die Schweiz darauf verzichten, hätte beispielsweise Schweizer Zement auf dem heimischen Markt gegenüber Zement aus dem EU-Ausland einen komparativen Nachteil. Es ist daher davon auszugehen, dass die Schweiz auch bei den Grenzausgleichsmassnahmen nachziehen würde.

Dies sind nur einige der offenen Fragen, die sich bei der Umsetzung stellen werden. swisscleantech unterstützt jedoch diese Entwicklung und wird sie inhaltlich eng verfolgen.

Klimapolitisch lenken oder subventionieren?

Subventionen und Verbote – politisches Timing entscheidet über den Erfolg

Anthony Patt, Professor für Klimapolitik an der ETH Zürich argumentierte, dass der Wandel zur klimaneutralen Gesellschaft für jedes Land bedeute, fossile Energien vollständig mit erneuerbaren zu ersetzen. Die Entwicklung und Einführung erneuerbarer Energietechnologien muss demnach im Fokus der politischen Instrumente stehen. Am geeignetsten sei eine Kombination von Subventionen und Verboten.

In einem ersten Schritt geht es darum, mit Investitionen in Forschung und Entwicklung den technologischen Fortschritt voranzutreiben. Bewährt sich eine Technologie, so gilt es im nächsten Schritt, den Markteintritt und die Marktdiffusion zu unterstützen. Subventionen ermöglichen dabei eine preisliche Wettbewerbsfähigkeit mit bestehenden fossilen Energietechnologien. Hier sind Investitionen in die Infrastruktur nötig, damit die neuen Energien in breiter Form für die Konsument*innen zur Verfügung stehen.

Erst im letzten Schritt – in der Stabilisierung – wird die finanzielle Unterstützung zurückgefahren und mit Hilfe eines Verbotes der fossilen Energietechnologie die komplette Marktdominanz der erneuerbaren Energietechnologie sichergestellt. In diesem Ansatz ist die Kosteneffizienz sekundär, da der Fokus auf Grund der Dringlichkeit auf der schnellen Wirkung der politischen Massnahmen liegt.

Lenkungsmassnahmen – die Wirksamkeit entscheidet über die Wahl des politischen Instruments

Patrick Dümmler, Senior Fellow bei Avenir Suisse, folgte mit einer gegensätzlichen Einschätzung. Er analysierte die Wirksamkeit von bestehenden Klimaschutzmassnahmen anhand von vier Kriterien: Effektivität, Effizienz, Technologieneutralität sowie Erreichung von Kostenwahrheit. Dabei stellte er fest, dass bestehende Lenkungsmassnahmen wie die CO2-Abgabe oder das Emissionshandelssystem verglichen mit anderen Massnahmen eine höhere Leistung aufweisen. Sie seien effizienter und kommen den wahren Kosten näher als andere Instrumente. Zudem sind sie komplett technologieneutral.

Damit stellt die Lenkungsabgabe seiner Meinung nach die wirtschaftlich und gesellschaftlich effizienteste Massnahme zur Erreichung der Klimaziele dar, jedoch wird nicht berücksichtigt, dass eine ausschliesslich über Preismechanismen gesteuerte Transition wohl zu langsam von statten ginge, wenn es nicht gelingt, deutlich höhere Preise politisch durchzusetzen.

Klimapolitischer Pragmatismus – die Instrumente richtig kombinieren

Abschliessend führte Christian Zeyer, Geschäftsführer swisscleantech, die beiden Pole näher zusammen. Er forderte einen klimapolitischen Pragmatismus, welcher der Dringlichkeit des Klimawandels gerecht wird und mehrheitsfähig ist. Lenkungsabgaben sind für ihn das Mittel erster Wahl; gleichwohl wies er auch auf Nachteile von Lenkungsabgaben hin, die insbesondere bei einer (vor-)schnellen Umsetzung zu tragen kommen: Investitionen können hohe Folgekosten haben.

Wer beispielsweise vor kurzem in eine fossile Heizung investiert hat muss entweder während langer Zeit hohe CO2-Abgaben berappen oder seine Heizung verfrüht abschreiben. Sind viele Stakeholder in dieser Situation, oder können sie ihre Betroffenheit laut genug politisch artikulieren, kann dies dazu führen, dass die Akzeptanz der Massnahme sinkt. Hinzu kommt, dass viele Betroffene die Funktion von Lenkungsabgaben unzureichend verstehen. Auch das geht auf Kosten der politischen Akzeptanz.

Zeyer plädierte daher für eine kluge Kombination von Lenkungsmassnahmen mit anderen Instrumenten wie Subventionen, Bürgschaften, Ge- und Verboten sowie Nudging-Kampagnen. So können nicht nur die Netto-Null-Ziele erreicht, sondern auch die Bezahlbarkeit und Akzeptanz der Klimaschutzmassnahmen gewährleistet werden.

Beschleunigung und Kompromisse statt Perfektionismus

In der nachfolgenden Diskussion war man sich einig, dass jedes Instrument sowohl Vor- wie auch Nachteile aufweist. Subventionen haben Mitnahmeeffekte, welche aber bei gemässigten Subventionsbeträgen tragbar sind. Verbote können nötig sein, um Lock-In Effekte im Gebäudebereich zu vermeiden, sind jedoch äusserst unbeliebt. Der aktuell hohe Preis von fossilen Treib- und Brennstoffen beweist zwar, dass hohe Preise volkswirtschaftlich absorbiert werden können; eine schnelle Preissteigerung führe jedoch nur langfristig zu einer Anpassung. Die effektiv notwendige Höhe von etwa 400 CHF/Tonne CO2 (was etwa einem Aufschlag von 1 CHF/Liter entspricht) wäre aber politisch nicht mehrheitsfähig.

Kurz wurde auch über Sinn und Zweck von Auslandskompensationen gesprochen. Mit diesen können zwar heute mehr Emissionen pro investierten Franken vermindert werden als im Inland, dies führt jedoch dazu, dass inländische Massnahmen nicht schnell genug ergriffen werden und später beschleunigt und zu hohen Kosten erfolgen müssen. Denn es ist offensichtlich: In einer CO2-neutralen Welt sind Kompensationen gar nicht mehr möglich – jede Emission muss mit negativen Emissionen kompensiert werden. Verpasste Potentiale für Emissionsreduktionen müssen in der Zukunft teuer erkauft werden.

Kurzum, eine perfekte Klimapolitik wird es kaum geben. Dafür drängt die Zeit zu sehr – und die Erwartungen der entscheidenden Akteure sind zu divers. Es wird, wie so oft in der Schweiz, ein politischer Kompromiss von Nöten sein, um ganz im Sinne der Konkordanz alle mit ins Boot zu holen und die Schweiz möglichst effizient und zielstrebig in eine CO2-neutrale Zukunft zu führen.

Zur Podiumsdiskussion (Video-Aufzeichnung)

Zu den PowerPoint-Slides (PDF)

Globaler Alarm und nationale Nachlässigkeit – Zur Klimakonferenz

«Das 1.5-Grad-Ziel ist kaum noch zu erreichen»

Die diesjährige Klimakonferenz in Scharm El-Scheich ist überschattet von einer international angespannten Situation, gezeichnet durch Krieg und Versorgungsengpässe bei Energie und Nahrungsmitteln. Auch die Einschätzung zur Lage des Weltklimas fällt düster aus – Das Fazit der WMO (World Meteorological Organisation): Das 1.5-Grad-Ziel ist kaum noch zu erreichen.

Die Konzentration an CO2, Methan und Stickstoffdioxiden ist auch im Jahr 2021 weiter gestiegen und die globale Durchschnittstemperatur liegt im Vergleich zum Durchschnitt von 1850-1900 bereits um 1.15° höher. Auch für Europa und die Schweiz ist der Klimawandelzunehmend spürbar geworden: Die Temperaturen in Europa steigen doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt; in der Schweiz verloren die Gletscher allein im vergangenen Jahr rund 6% ihres Volumens. Wenn es in diesem Tempo weiter geht, dann steuert die Welt bis Ende des Jahrhunderts auf gefährliche 2.4 Grad Erwärmung zu.

Klimafinanzierung und «Loss and Damage» im Fokus

Die Agenda der Klimakonferenz ist auch in diesem Jahr prall gefüllt. Im Fokus stehen drei Punkte: Klimafinanzierung, «Loss and Damage» und die Ausarbeitung eines Arbeitsprogrammes zur Verminderung der Treibhausgase.

Umstritten ist wie bereits an früheren Treffen die Forderung der armen Länder – die von den Folgen des Klimawandels besonders stark betroffen sind – nach mehr Unterstützung durch einkommensstarke Nationen. So wird an der aktuellen Konferenz beispielsweise über das neue Framework zur Finanzierung von Anpassungs- und Mitigationsmassnahmen für die Jahre ab 2025 verhandelt. Dies, nachdem das Ziel, jährlich 100 Milliarden USD ab 2020 bereit zu stellen, verfehlt wurde.

Erstmals wird auch ein «Loss and Damage»-Fond offiziell diskutiert. Arme Länder fordern schon lange Unterstützung für klimabedingte Schäden und Verluste. Sie begründen diese Forderung mit der Tatsache, dass sie im Vergleich zu reichen Industrienationen wenig zum Klimawandel beigetragen haben, nun aber von dessen Folgen besonders stark betroffen sind. Die Industrienationen hingegen sträuben sich vor der Übernahme von pauschalen Versicherungen. Um tatsächliche und messbare Fortschritte zu erzielen, müssen zunächst die Begriffe «klimabedingte Schäden» und «Klimafinanzierung» klar definiert werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass tatsächlich die ärmsten und am stärksten betroffenen Länder die gesprochenen Mittel erhalten. Mit einer umsetzungsreifen Lösung wird man an dieser Konferenz kaum rechnen können.

Das Klimaziel nicht aus den Augen verlieren

Damit das 1.5-Grad-Ziel mit dieser Konferenz nicht noch mehr an Glaubwürdigkeit verliert, braucht es ausserdem massiv grössere Anstrengungen zur Treibhausgasverminderung. Trotz anderslautenden Versprechen hat es jedoch die Mehrheit der Mitgliedsstaaten verpasst, ihre nationalen Zielsetzungen seit der letzten Konferenz anzupassen. Damit dennoch mehr Bewegung in die Sache kommt, wollen die Konferenzteilnehmer* innen ein Arbeitsprogramm zur Verminderung der Treibhausgase verabschieden. Ziel ist es, die dringend benötigten Fortschritte in der Klimazielsetzung und in den Verminderungsaktivitäten mit konkreten Massnahmen zu unterstützen und zu beschleunigen. Der Inhalt und Umfang dieses Programmes werden ein zentrales Resultat dieser Konferenz darstellen.

Ist die Schweiz international glaubwürdig bei national unzureichenden Bemühungen?

Auch die Schweiz will sich an den Verhandlungen für ein griffiges Arbeitsprogramm zur Verminderung der Treibhausgase einsetzen. Im Fokus sollen Länder und Sektoren mit den höchsten Emissionen stehen. Die Schweiz wird dabei aber nicht bloss mit dem Finger auf andere zeigen können – auch sie steht in einer klaren Bringschuld und wird aufzeigen müssen, wie sie ihr selbstgesetztes Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichen will: Die bisherigen Bemühungen sind unzureichend.

Für die weitere Entwicklung spielt der neue Entwurf zum CO2-Gesetz und der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative eine wichtige Rolle. Damit sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen aktuell noch unbefriedigend und die weitere Entwicklung ist nicht eindeutig. Während der indirekte Gegenvorschlag Klarheit bei den langfristigen Zielen schafft und auch konkrete, zusätzliche Massnahmen enthält, geht das CO2-Gesetz deutlich zu wenig weit. 

So sieht der Entwurf des neuen CO2-Gesetzes beispielsweise vor, dass bis zu einem Drittel der Emissionsverminderung über Klimaschutzprojekte im Ausland umgesetzt werden kann. Darum setzt sich die Schweiz am Klimagipfel stark für die technische Ausarbeitung des Marktmechanismus in Artikel 6 des Abkommens ein. swisscleantech befürwortet klare, einheitliche Vorschriften für den internationalen Kohlenstoffmarkt. Der Schwerpunkt der Schweizer Klimapolitik muss jedoch auf den Emissionsreduktionen im Inland liegen. Nur so können hohe Mitigationskosten in späteren Jahren zu vermieden werden. Ein zu starker Fokus auf Auslandkompensationen ist auch aus Reputationsgründen für die Schweiz nicht zu empfehlen. Tatsache ist: Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, die auf diese Art des Ablasshandels setzen will.

Die Schweiz will weiter mithelfen, die Finanzierungsmittel ab 2025 auf solide Beine zu stellen: Laut Franz Perrez, Chefunterhändler der Schweiz, sollen die Geldgeber nicht aufgrund ihrer historischen Emissionen bestimmt werden, sondern basierend auf ihrer heutigen Wirtschaftsleistung. So würden mehr Staaten zu Geldgebern und der Fokus auf die tatsächlich bedürftigen Länder gerichtet. Zu «Loss and Damage» ist Franz Perrez zurückhaltender. Die Forderungen der ärmsten Länder seien legitim, noch herrsche aber zu viel Unklarheit.

Die Erwartungen an diese Klimakonferenz sind sowohl im In- wie Ausland eher verhalten. Bundesrat Cassis erhofft sich am Ende der zwei Wochen einen Aktionsplan mit klaren Deadlines und konkreten Messgrössen. Letztlich müssen all diese Pläne national umgesetzt werden. Dafür müssen – auch in der Schweiz – die gesellschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst werden, damit jedes Unternehmen und jede Privatperson ihren Beitrag zum Netto-Null-Ziel leisten kann. Darauf arbeiten wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern hin.

Unternehmen mit aktuell sehr hohen Stromkosten helfen – ein Vorschlag abseits der Grundversorgung

Soll man Unternehmen, die aufgrund der aktuellen Strompreise auf dem Spotmarkt mit wirtschaftlichen Problemen konfrontiert sind, unter die Arme greifen, indem die Grundversorgung für sie geöffnet wird? swisscleantech erteilt dieser Idee eine klare Absage. Strategischer Stromeinkauf gehört genauso zu verantwortungsvollem Unternehmertum wie engagierte Energieeffizienzmassnahmen. Wer Risiken eingeht, muss auch deren Konsequenzen tragen.

Die aktuelle Strompreissituation war jedoch in dieser Art nicht vorauszusehen. Ein unkontrollierter Konkurs von vielen Unternehmen wäre auch für die Volkswirtschaft eine schwere Belastung – den betroffenen Unternehmen muss geholfen werden. Allerdings darf diese Hilfe keine falschen Anreize setzen. swisscleantech hat deshalb einen Lösungsvorschlag entwickelt. Diese industrielle Grundversorgung für Strom funktioniert zusammenfassend wie folgt:

  • Unternehmen in Not können ihren Strom temporär über eine spezielle schweizweite «industrielle Grundversorgung» beziehen.
  • Der Preis ist moderat höher als die durchschnittliche Grundversorgung (beispielsweise 50%, was im Vergleich zu den aktuell rund 10-fach höheren Preisen relativ gering ist).
  • Die entstehenden Mehrkosten werden zunächst von den Elektrizitätsunternehmen übernommen – unterstützt durch den Bund.
  • Unternehmen, die wieder aus dieser schweizweiten «industriellen Grundversorgung» austreten wollen, müssen die Kosten, welche durch ihren Strombezug entstanden sind, über einen definierten Zeitraum zurückerstatten.

Diese Lösung ermöglicht es, dass die betroffenen Unternehmen nicht sofort mit sehr hohen Kosten konfrontiert werden, sondern diese langfristig angelegt rückerstatten können. Eine solche Lösung wird nicht in der Lage sein, alle betroffenen Firmen vor dem Konkurs zu schützen, sie kann jedoch grundsätzlich robusten Unternehmen helfen, diese schwierige Zeit zu überbrücken. Das Konzept sieht verschiedene Designparameter vor, sodass eine echte Hilfe ohne falsche Anreize sichergestellt werden kann.

Mehr zum antizyklischen Strompreispuffer (PDF)